Haldenereignis Emscherblick Bottrop
Der Aussichtsturm auf der Halde Beckstrasse:
Sehzeichen im Emscherpark
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Der Standort

Der Emscherraum ist reich an markanten Großbauten der Industriegeschichte. Sie sind Zeugnis der technischen Überformung dieser Städtelandschaft.
Kathedralenhafte Werkhallen, turmhohe Schornsteine und Gasometer und nicht zuletzt künstliche „Gebirge“ bestehend aus Bergmaterial der in über 1000 m tief geförderten Kohle, bilden weithin sichtbar „Landmarken“ entlang der Emscher.
Landschaft und Städte sind ein Spiegelbild der Energie, die aus der Kohle kommt.

150 Jahre wurde die Natur produktiv genutzt, in Energie transformiert und verbraucht, die Landschaft planmäßig rational überformt und so den Bedürfnissen einer Industrielandschaft gemäß gestaltet.
Die ökonomische Struktur hat sich zum Ende des 20. Jahrhunderts radikal gewandelt. Die ökologische Erneuerung der „alten Industrieregion“ ist Thema und Aufgabe der Internationalen Bauausstellung Emscherpark.

Die „Dinosaurier“ der Industriegeschichte, wie z.B. der Oberhausener Gasometer, sollen nicht aus dem Blickfeld der sog. Informationsgesellschaft verschwinden.

Im IBA - Konzept der Landmarken zwischen dem Thyssen-Hochofen in Duisburg und der Halde „Großes Holz“ in Kamen werden diese wie Perlen an einer Kette gereiht, zu Orientierungspunkten einer nachindustriellen Stadtlandschaft.


Das Haldenereignis Emscherblick

Von der Halde Beckstrasse in Bottrop aus erschließt sich ein phantastischer Überblick über Stadt, Industrie, Infrastruktur und Landschaft.

Alle für das Ruhrgebiet typischen Elemente sind in unmittelbarer Nähe vorhanden.
Im Projekt der Landmarken soll das Haldenereignis Emscherblick die Stadtlandschaft um die Halde überschaubar und somit begrei8fbar machen. Es soll helfen, den Lebensraum trotz, oder gerade wegen seiner durch Arbeit und Technik dominierten Gestalt als ästhetisch reizvoll und in dieser Weise einmalig zu erfahren.

Zum „Ereignis“ wird die Halde in zweifacher Hinsicht:

• Im unmittelbaren Erleben der künstlichen „Gebirgslandschaft“ vor Ort mit Serpentinenwegen, einem weiträumigen, leicht konkav gewölbten, rautenförmigen Plateau, an dessen Nordwestspitze ein ca. 50 m hoher Aussichtsturm zu dem Panoramablick auf das Ruhrgebiet „en miniature“ einlädt.
• Aus der Ferne sollen „Tafelberg“ und Aussichtsturm zu einem weithin sichtbaren Merkzeichen für Bottrop werden.

Das Haldenereignis soll Industrialisierung und Energiegewinnung repräsentieren und zugleich zum Symbol für Rekrutierung und spielerischen Umgang mit einer neuen „dritten Natur“ werden.

Die Halde behält ihre „ruppige“ Ausstrahlung und wird so zur reizvollen Ergänzung traditioneller Parkanlagen. Ihr typischer Aufbau in regelmäßigen, ca. 8 m mächtigen Schichten mit umlaufenden Rundwegen soll gestalterisches Leitbild bleiben.

Die Künstlichkeit der existierenden Anlage wird aufgegriffen und zum Motiv der geplanten Überformung gemacht:

• Der Turm setzt die Grundstruktur der Halde baulich fort:
Die Form des Dreiecks repräsentiert als einfache geometrische Grundform Rationalität im Umgang mit der Natur.
• Addition und Schichtung der Stahlrohrelemente zu Tetraedern, die sich wiederum zu einem großen Tetraeder fügen, wiederholen noch einmal das Schüttungsprinzip der Halde.
• Die „minimal landart“ der Halde wird mit dem Tetraederturm von 60 m Seitenlänge auf 4 ca. 8 m hohen Betonstützen als ebenso einfaches wie prägnantes Objekt überhöht.
• Der Turm nimmt die Wege auf der Halde auf und führt sie, unterschiedliche Perspektiven provozierend, zum Rundweg in seine Spitze.


Der Tetraederturm

Sich ein „Bild zu machen“ reduziert sich im Zeitalter der Neuen Medien im Idealfall auf einen sanften Knopfdruck der Fernbedienung. Wissen, Erfahrung, „Weltkenntnis“ wird damit erstmals von der Fortbewegung des eigenen Körpers abgetrennt („Reisen bildet..“).

Das Haldenereignis setzt also im Zeitalter technisch immer komfortabler werdender Informationsmedien einen Kontrapunkt.

Das Filmmotiv wird umgekehrt: Bilder beginnen erst durch die eigene Bewegung zu „laufen“.

Die Dramaturgie des „Drehbuches“ zum Haldenereignis hat zum Ziel, dem Betrachter das urbane Panorama in spielerisch spontaner, abwechslungsreicher und eher beiläufiger Form zusammenzufügen.
In der äußeren Gestalt des Tetraederturms und in seinem Aufbau soll der Zusammenhang aus Bewegung, Aufstieg, Blickperspektiven unterschiedlichster Art, Inszenierung besonderer Raumausschnitte und das Erlebnis eines einzigartigen Überblicks in konzentrierter Form möglich sein.

Ansicht   

Als Sehzeichen wirkt die Tetraederpyramide in der Ferne als einzigartiger Zielpunkt im Panorama der Türme ringsum.
Je näher man sich der Halde bewegt, desto stärker wird die sekundäre Struktur der Treppen und Plattformen hervortreten. Das einfache geometrische Grundmuster differenziert sich Schritt für Schritt und wird schließlich am Fußpunkt des Turmes nur noch als vielfach sich überlagerndes Raumgerüst wahrgenommen, dessen Funktion in der Aufnahme und Halterung der Treppen, Podeste und Ausrichtungsplattformen besteht.

Grundriss   

Im Gegensatz zu Ruhe, Stabilität und Starrheit vermittelnden Form des Stahltetraeders, sind die im Inneren eingefügten Elemente Ausdruck kinetischer Energie.

Die an Stahlseilen (in drei Achsen) abgehängten Treppen und Plattformen werden aufgrund ihrer z.T. langgestreckten, frei tragenden Ausbildung in unterschiedlichem Masse beim Betreten „mitschwingen“, (selbstverständlich ohne damit die Sicherheit zu gefährden).

Das Besteigen des Turmes soll zum eigenständigen Erlebnis werden. Die Zwischenstationen der großen, kreisförmigen Plattformen I und II sind daher neben ihrer Funktion als Aissichtsterrasse auch Orte der Entscheidung, das folgende Wegstück zu "wagen".

Von den Treppen und Plattformen aus erschließt sich der „Innenraum“ des Turmes, die Oberfläche der Halde und das Panorama der Stadtlandschaft. Dabei werden jeweils besondere Bildszenen durch die Lage der Orientierung der Elemente hervorgehoben.
So wird z.B. von der ersten Aussichtsterrasse der Blick direkt auf die Nachbarhalde „Prosper“ gelenkt; von der zweiten aus erlebt man den „Großraum“ im inneren des Tetraeders, man überblickt das große Feld des Haldenplateaus und die Stadt Bottrop.

Während die erste Treppenfigur durch ihre langgestreckter Gestalt eindeutig ihre Endpunkte „von Halde zu Halde“ betont, soll die Hängetreppe die Bewegung der Menschen im Raum besonders erlebbar machen.
Über eine Brücke erreicht man die Spindeltreppe zur obersten Plattform.
Die 8 Grad geneigte Plattform verlässt symmetrische Zuordnungen, sie „verfängt“ sich in der Tragkonstruktion. Zum ersten Mal kann der Tetraederturm von außen betrachtet werden.
Die Schräge des Podestringes ermöglicht eine nochmalige Steigung des dynamischen Grundmotivs der Turmelemente sowohl im unmittelbaren Erleben, als auch in der Fernwirkung.

Fort – Schritt und Aufstieg erweisen sich am Ende des Weges als Kreisbewegung, die zu ihrem Ausgangspunkt zurückführt.


Wolfgang Christ, im Mai 1994


 


der tetraeder

Idee und Konzept